Wenn ich mit Leuten über Korea rede, kommen wir ganz schnell zum Thema K-Pop. Viele fragen dann, ob ich viel K-Pop höre und das der Grund sei, weshalb ich überhaupt erst nach Seoul gegangen bin. Meine Antwort: Nein. Mir ist K-Pop zwar ein Begriff und ich kenne die eine oder andere Band auch beim Namen. Das liegt aber weniger an meinem Interesse daran, sondern eher an dem Interesse von Freunden und meiner kleinen Schwester Julia. Während ich früher Poster von deutschen und amerikanischen Bands an meinem Kleiderschrank hängen hatte, klebt sich Julia Poster von K-Pop Bands an die Wand. Auch in Vietnam spielt K-Pop eine große Rolle. Aber (nochmal) nein, ich höre selbst aktiv kein K-Pop, bin aber sehr interessiert an dem ganzen Fan-Phänomen. Mein erstes K-Pop Konzert hat mich sprachlos gemacht.

Mein erstes K-Pop Konzert

Für meine erste K-Pop Experience habe ich mir ein recht großes Konzert auf dem Hauptplatz vor dem Gyeongbokgung Palast ausgesucht, dass nicht viel gekostet hat, aber dafür viele verschiedene Bands zeigen und sogar live übertragen sollte. Meine Freunde und ich hatten Karten für den Block ganz vorn an der Bühne und haben ganz schnell gemerkt, dass das nicht so unsere Welt war. Nicht wegen der Musik, sondern wegen der Fans! Schon beim Einlass wurde ich zur Seite geschubst, weil ein Mädchen ganz vorne an der Bühne stehen wollte. Die meisten Fans hatten aufklappbare Hocker mit, auf denen sie sich hinstellen wollten. Natürlich wurden die ganz schnell von der Security eingesackt. Was aber erlaubt war: Kameras mit Objektiven so groß wie mein Bein! In Weimar durfte ich nicht mal meine analoge Kamera mit 50mm Objektiv mitnehmen, an in diesem ersten Block hätten die Fans sicher auch Fotos von den Nasenhaaren der Künstler*innen machen können. Da Schubsen und Ellbogen Fighting leider nicht so mein Ding ist, hab ich mich ganz schnell rar gemacht und mir einen Platz ganz hinten gesucht. Meine Freundin Joann hielt es das ganze Konzert über vorne aus und hatte danach den einen oder anderen blauen Fleck.

K-Pop Plausch mit Maika 

Dieser Abend ist mir so präsent geblieben, dass ich mich mal mit meiner Freundin Maika mal ein wenig über das Phänomen unterhalten habe . Sie hat ein Jahr in Seoul an der Korea University studiert, bevor ich nach Korea gekommen bin. Aber seit dem schreiben wir regelmäßig. Ich bin ihre Außenkorrespondentin hier in Seoul und sie gibt mir immer gerne Tipps und Tricks, um in Seoul mehr zu entdecken als die Mainstream Spots. Eine richtige Goldgrube also, diese Maika (:

L: Maika, würdest du dich als echten K-Pop Fan bezeichnen?

M: Hmmmmm, also subjektiv würde ich sagen, dass ich kein Fan per se bin. Ich kenne mich zwar ziemlich gut aus, hören tu ich auch einige Bands aber denke ich mag  Korean Hip Hop/ Rap mehr. Unter „K-Pop Fans“ stelle ich mir diese kreischenden Mädchen vor, die zu jedem Konzert und Fan Signing Event gehen und auch im Fancafe sind.

L: Äh, was ist denn ein Fancafe?

M: Man sagt hier vermutlich Fanclub dazu. Komischerweise nennen die Leute in Korea die offizielle Webseite des Fanclubs für eine/n jeweilige/n SängerIn oder Band „Fancafe“. Meist kosten die was, also man zahlt einen Mitgliedsbeitrag. Die Fans werden dann meist zuerst benachrichtigt, wenn Fan Signing Events oder Fan-Meetings nur für den Fanclub stattfinden. Es gibt auch gewisse Rankings. Also je nachdem, wie oft oder wie viel Merch du gekauft hast oder Events du teilgenommen hast, werden dir dann „exklusive Inhalte“ zum Star früher preisgegeben. Oder man erhält dann Special Gifts von der Agency.

L: Crazy. Man bekommt also allerlei Benefits, wenn man der beste Fan im Fanclub ist!

M: Ja, bei Autogrammstunden z.B., also Fan Signing Events, darf man natürlich nur eine begrenzte Anzahl an Leuten in die Venue lassen und dann muss etwas „aussieben“. Das heißt, nur wer sich als Hardcore Fan beweist, kommt auch rein. Also stell dir vor, eine Band released ein Album, dann gibt es dazu immer natürlich viel Promotion und fast immer Fan Sign Events/Meetings. Da muss man dann eine gewisse Anzahl von Alben oder Merch gekauft haben. Und mit dem Bon kann sich dann einen Platz beim Fan Meeting sichern.

L:  Ich glaube, das hab ich auch schon mitbekommen. Eine Freundin hat sich hier in Seoul ganz viele Kontaktlinsen gekauft, weil die Firma mit Blackpink zusammen arbeitet. Mit jeder Linse, die man kauft, gibt es größere Chancen auf ein Treffen mit der Band! Sie hat Blackpink dann tatsächlich auch bei einer Autogrammstunde getroffen und ihnen ein Geschenk mit gebracht! Warst du auch schon mal eine der Glücklichen?

M: Nee, ich hab bisher nur einmal bei einem Gewinnspiel für ein T-Shirt von einem Rapper mitgemacht (und nicht gewonnen ㅠ.ㅠ). Für K-Pop bisher aber gar nicht.

L: Wir hatten mal Glück, zufälligerweise in einer Mall zu stehen, in der Red Velvet eine Autogramm Stunde gegeben hat. Da gab es natürlich auch einen abgesperrten Bereich nur für Mega Fans. Der Rest musste hinter der Absperrung stehen, hatte dafür aber Objektive an der Kamera, die so lang waren wie mein Bein! (: Das war wahrscheinlich genauso ein Big Fan Bonus!

M: Bei solchen Mall Geschichten glaube ich, dass man da mehr Chancen hat, auch wirklich ein Autogramm zu bekommen als in extra gemieteten Räumlichkeiten. Und oft geht’s auch einfach darum, wer erste/r ist, à la „die ersten XX Leute kommen rein“.

L: Aber es ist doch sicher richtig schwierig, sowas überhaupt mitzubekommen, oder? Folgen die Fans dann einfach allen Kanälen, Clubs und Social Media Accounts, um ganz vorn mit dabei zu sein?

M:  Ich frag mich auch immer, woher die das wissen! Aber ich glaube, wenn man wirklich Fan ist, findet man sowas doch sehr schnell heraus! Die erste Bekanntgabe wird sicherlich im Fan Cafè gemacht, sonst nutzen erstaunlicherweise viele koreanische Artists Twitter, um auf das Neueste hinzuweisen oder mit Fans zu interagieren!

L: Das ist alles so verrückt. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich meine, ich finde auch manche Musiker*innen, Bands usw. echt toll und klar bekomm ich auch mal zufällig mit, dass es ein Secret Concert gibt. Aber ich hab schon das Gefühl, dass das hier alles extremer ist…

M: Ich glaub, es ist so viel extremer, weil die SängerInnen und Bands alle wirklich Vorbildfunktionen erfüllen und das nach außen tragen müssen. Vor allem interagieren sie viel viel mehr mit den Fans und machen auch viel Fanservice, was es im Westen ja kaum bis fast nie gibt. Daher fühlen sich die Fans von K-Pop viel mehr hingezogen und vertrauter mit den Stars. Die parasoziale Interaktion spielt hier eine besonders große Rolle und geht oft ja durch die ganzen Fan Meetings fast schon zu interpersonalen Beziehung über.

L: Verstehe. man hat also auch viel mehr das Gefühl, dabei zu sein und irgendwie Freundschaften mit den Stars zu knüpfen. Und die Industrie weiß natürlich genau, dass das funktioniert. Auf der anderen Seite ist das doch total viel Stress für die Stars! Kein Privatleben, keine Freiheiten, immer gut drauf sein. Und dann kann man sicher nicht mal öffentlich sagen, dass man in einer Beziehung ist?

M: Ja, das ist ja die Schattenseite der K-Pop Industrie. Durch den hohen Druck, Vorbild sein zu müssen, müssen wie eine weiße Weste haben, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Beziehung (da sie ja zumindest vorgeben, in einer Beziehung mit den fans zu sein). In manchen koreanischen Dramen wird z.B. gezeigt, dass der Star von allen „geteilt“ wird und es wie Verrat ist, wenn er/sie einen Partner/in findet. Geht manchmal sogar soweit, dass die Fans (und K-Pop Fans sind wirklich heftig) den/die neue(n) Partner/in mit Shitstorm, Hate Mails bombardieren

L: Das kennt man ja auch so ein bisschen von westlichen Bands, aber hier wirkt das alles noch mal ein Ticken schärfer. Dabei liebt man doch als Fan seine Band/ das Idol! Warum ihm/ihr dann nicht das Beste wünschen und sich dann freuen, wenn die glücklich sind?

M: Ja, das finde ich echt auch so krass, wie schnell sich das Blatt unter den Fans von einem zum anderen tag wenden kann. Das gilt natürlich nicht für alle. Und Hardcore Fans, „kennen“ ihr Idol doch vielleicht etwas besser, nehme ich mal stark an, sodass die nicht gleich so krass Kritik äußern oder dermaßen abwenden. Ein Beispiel: T.O.P. von Big Bang war richtig beliebt, aber nach seiner Drogengeschichte haben sich voll viele von ihm abgewendet, doch die Hardcore Fans kamen am Tag seiner Entlassung aus dem Millitär, um ihm ihren Support zu zeigen.

L: Und hat sich nicht vor ein paar Wochen sogar ein Idol umgebracht, weil das alles zu viel wurde? Sulli hieß sie? Hier in Seoul gab es viele verschiedene Gedenkfeiern für sie.

M: Genau das ist diese Schattenseite vom K-Pop. Viele K-Popstars leiden vermutlich unter Depressionen durch den ganzen Druck, perfekt zu sein, und das Image zu verkörpern. Der meines Erachtens erste Tiefpunkt in der K-Pop Industrie war der Suizid von Jonghyun von Shinee. Er litt unter Depressionen und fühlte sich oft allein, obwohl man das nach außen nicht wirklich gemerkt hatte. Obwohl im Nachhinein es schon Anzeichen gab, die aber keiner in den Medien beachtete. Bei ihm war der Druck, der von der K-Pop Industrie (Agency usw.) kam, wohl eines der Hauptursachen. Und Sulli litt wohl vor allem darunter, dass sie ständig Hassmails/Kommentare für ihr Verhalten, ihre Meinungsäußerungen erhielt.

L: Gibt es denn dahingehend irgendeine Entwicklung in der K-Pop Industrie? Also z.B. in Richtung Transparenz und Offenheit, was diese Musikindustrie angeht?

M: Ich glaub, vor allem nach Jonghyuns Suizid gab es viele Veränderungen. Es gibt auf Seiten der Agencies über die letzten Jahre auf jeden fall wohl Verbesserungen zum Management von K-Popstars, aber noch weit weg vom dem, was gesund wäre. Das Problem an dem ganzen sind die Fans, die dieses Image lieben und den Star so (perfekt) haben wollen und nicht anders. Und auf diese „Nachfrage“ reagiert die K-Pop Industrie und produziert immer wieder die gleichen Images/Bilder.

L: Ich war bei einem einzigen Konzert mit vielen verschiedenen Künstler*innen und da haben sich alle gegenseitig fast verprügelt, um so nah wie möglich an der Band zu stehen, um das beste Foto zu bekommen! Das hat mich schon ein wenig abgeschreckt. Wie aggressiv man sein kann! Und was für große Kameras die alle haben! Und dann war die eine Band noch nicht einmal volljährig! NCT DREAM, heißen die so?

M: Haha! Keine Sorge, gleichermaßen sind die Fans von NCT Dream ja auch nur Kids! Und umso gut aussehender oder „süßer“ und perfekter die Bandmitglieder aussehen, desto mehr passen sie in dieses asiatische Schönheitsideal und umso mehr werden die angehimmelt. Ich hab bisher nur NCT127 gesehen. Deren Subunit Konzept ist auch übelst kompliziert!

L: Subunit Konzept? Sag bloß, es gibt verschiedene Konstellationen von denen?

M: Subunits sind Untergruppen von Musikgruppen. Meist bei großen Gruppen formen die oft noch Untergruppen für bestimmte Konzepte. Auch wenn z.B. ein paar Mitglieder ins Militär müssen.

L: Ach du Heilige! Das klingt aber kompliziert.

M: Meist gar nicht so kompliziert, nur NCT ist da etwas komisch!

L: Nochmal zurück zu den Mega Fans. In der U-Bahn hängen überall diese Happy Birthday Banner :O  Wer zahlt das alles?

M: Also wie ich das mitbekommen habe, sind es fast immer die Chinesischen Fans, die echt reicher sind oder durch die höhere Anzahl an Fans (da China so viel mehr Menschen hat) kommen höhere Summen zusammen, um solche Plakate zu finanzieren. Daher hat ja die K-Pop Industrie immer auch Konzerte, Fan Meetings in China (Japan, Taiwan, etc.), da dort einfach mehr verkauft wird

L: Vielleicht macht es Sinn, als K-Pop Fan nach China zu reisen (:

M: Nee, die Produkte sind in Korea immer noch besser und beliebter und werden auch von Hardcore Fans bevorzugt und online gekauft. Natürlich reisen manche mit leeren Koffern nach Korea, um sich mit K-Pop Stuff einzudecken (True Story xD)

L: Hab aber von einer chinesischen Freundin auch gehört, dass in China alles viel teurer ist. Irgendwie klingt das alles so, als würde es sich nur richtig lohnen, wenn man auch Hardcore Fan ist. Wenn man die Band schon toll findet, aber nicht sein ganzes Geld dafür ausgeben will, wird das ja nie was mit einem Fan meeting oder Autogramm :O

M: Haha, ja denke ich auch. Auf der anderen Seite sind die Chancen dann eben höher, deinem Idol nah zu sein, wenn du sie (v.a. finanziell) supportest!

L: Geld regiert die Welt, auch die K-Pop Welt! Danke dir für den kleinen aber spannenden Einblick in die K-Pop Welt!

 

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  1. BBC Dokumentation: „K-Pop Idols: Inside the Hit Factory“
  2. Kleines 1×1 zu K-Pop von Die Welt
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